Faszinierend und sensibel: Die Weltmeere
Über 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt. Immer noch wissen wir über große Teile der Weltmeere sehr wenig. Insbesondere die Tiefsee ist unbekanntes Terrain für uns. Selbst die Oberfläche des Mondes kennen wir besser. Unumstritten ist inzwischen die fundamentale Bedeutung der Ozeane für das Klima und das Leben auf der Erde.
Der Lebensraum
Die Weltmeere sind der größte Lebensraum unseres Planeten. Ein Viertel aller bekannten Tierarten lebt in diesem geheimnisvollen Kosmos. Ihre Vielfalt reicht vom 2 Milligramm-Plankton bis zum 200 Tonnen schweren Wal. Besonders mannigfaltig ist das Leben in den tropischen Korallenbänken. Baumeister dieser Unterwasserstädte aus Kalk sind winzige Polypen. In zumeist nährstoffarmen Gewässern der Tropen konstruieren sie kunstvolle Skelette. Eingelagerte Symbiosealgen versorgen sie mit Nährstoffen. Im Gegenzug bieten die Polypen den bunt schillernden Einzellern eine feste Wohnung mit Sonnenterrasse und Schutz vor Fressfeinden. Mit 1.930 Kilometern Länge ist das Great Barrier Reef vor Australien das größte Bauwerk, das von Tieren errichtet wurde. Ganz ohne Algen kommen die Kaltwasserkorallen in den Fjorden Norwegens aus. Das tiefe und planktonreiche Wasser versorgt sie mit genügend Futter.
Am nährstoffreichsten sind die seichten, hellen und warmen Küstengewässer der Ozeane. Flüsse schaffen reichlich Nahrung herbei. Dadurch gedeiht das Plankton besonders gut. Das wiederum lockt zahlreiche Fische und Wale an. 94 Prozent des Meerwassers sind hingegen in absolute Finsternis gehüllt. Zudem herrschen enormer Druck und eisige Kälte. Dennoch ist die Tiefsee voller Leben. Heiße Schlote am Grund versorgen Würmer, Garnelen, Fische und Krabben mit Energie und Nahrung. Viele der Tiere müssen sich raffinierter Tricks bedienen, um überleben zu können. Manche haben beispielsweise eine "Taschenlampe" dabei. Mithilfe von Bakterien oder Enzymen produzieren diese Glühwürmchen der Tiefe ihr eigenes Licht, mal um Partner zu finden, mal um Nahrung anzulocken. Andere haben Frostschutzmittel im Blut und wagen sich sogar bis in die Polarmeere vor.
Die Küsten
Die Küsten werden vom ständigen Kampf zwischen Land und Meer geprägt. Dabei zeigt sich das Meer als launischer Künstler, der mit den unterschiedlichsten Werkzeugen agiert. Mit sanftem Wellenschlag, tosender Brandung, ewigen Gezeiten und scharfen Eiskanten rundet es Steine ab, versetzt Findlinge, formt Felsenküsten und transportiert Sand. Mit seiner Urkraft stellt das Meer viele Küstenlebewesen täglich auf eine harte Probe.
Die Meere als Klimamacher
Pazifik, Atlantik und Indischer Ozean sowie ihre Nebenmeere beeinflussen das Klima ganz entscheidend. Wasser speichert Sonnenwärme viel besser als Luft dies vermag. Die Wärme wird nur langsam wieder in die Atmosphäre abgegeben. Damit sorgen die Weltmeere für geringere Temperaturschwankungen zwischen den Jahreszeiten. Doch die Ozeane sind nicht nur gigantische Wärmespeicher, sondern auch großflächige Wärmeverteiler. So pumpt der Golfstrom zum Beispiel warmes Wasser um den halben Globus und sorgt in Europa für milde Temperaturen. Durch die Verdunstung treiben die Ozeane zugleich den globalen Wasserkreislauf an. Und auch beim Kohlenstoffaustausch spielen sie eine zentrale Rolle. Besonders die polaren Meere speichern riesige Mengen Kohlenstoffdioxid. Ihre kalten Strömungen reißen das Klimagas in die Tiefe und entziehen es für Jahrhunderte der Atmosphäre.
Nutzen für den Menschen
Vom Reichtum der Meere profitieren wir auf vielfältige Weise. Das Nahrungsangebot zieht die Menschen seit Jahrtausenden an die Küsten. Die Hälfte der Erdbevölkerung lebt weniger als 80 Kilometer vom Meer entfernt. Im Jahr 2050 sollen fast zwei Drittel aller Menschen in Küstennähe siedeln. Hier haben sie direkten Zugang zu den Häfen und damit zu den Zentren des Welthandels. Schließlich führen künftig 90 Prozent der globalen Verkehrsströme über die Meere. Gleichzeitig schätzen die Menschen die Küsten und Inseln als Erholungsgebiete und Gesundbrunnen. An Bedeutung gewinnen die Ozeane als Rohstoff- und Energielieferanten, z. B. für Kies und Öl.
Bedrohung der Meere
Vielfältig sind leider auch die Bedrohungen der Meere, die auch negative Konsequenzen für uns haben. Der steigende Meeresspiegel gefährdet Milliarden Menschen an den Küsten. Die Kraft tropischer Wirbelstürme nimmt durch die Erwärmung der Ozeane weiter zu. Ganze Industriezentren und die Schifffahrt sind gefährdet. Die Tourismusregionen an den Küsten verlieren ihre Strände. Die Kosten für den Küstenschutz steigen sprunghaft. Das Abschmelzen der Eismassen an den Polen verdünnt das Salzwasser und gefährdet damit die Strö-
mungspumpen der Meere. Ein Versiegen des Golfstroms würde Europa eine neue Eiszeit bescheren.
Ein großes Problem stellt die intensive Nutzung der Ozeane dar. Inzwischen werden jedes Jahr 75 Millionen Tonnen Fisch und Muscheln gefangen. 77 Prozent der Fischbestände sind bereits bis an die Grenze befischt oder überfischt. Der Thunfischbestand ging auf 10 Prozent zurück, genauso wie der des Marlin, Schwertfisch, Hai, Dorsch und Heilbutt. Alle Meeresschildkrötenarten stehen vor der Ausrottung. Viele am Meeresgrund lebende Arten leiden unter der Schleppnetzfischerei und zahlreiche Meeressäuger unter rücksichtsloser Jagd.
Außerdem belasten Gifte, Nährstoffe und Lärm die Meere. Zusätzlich bläst der Mensch immer mehr Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre. Dadurch versauern die Ozeane. Muscheln, Korallen, Schnecken und Seesterne wachsen langsamer oder sterben ab. Schon in 30 bis 50 Jahren könnten die tropischen Korallenriffe und ihre Artenvielfalt verschwunden sein.
Es wird also höchste Zeit, die Ausbeutung, Zerstörung und Verschmutzung der Ozeane zu stoppen. Wir müssen lernen, wieder verantwortungsvoll mit der Umwelt umzugehen. Marine Schutzgebiete leisten einen wirksamen Beitrag zum Meeresschutz. Zahlreiche weitere Maßnahmen sind nötig, um die Ozeane als elementare Lebens- und Wirtschaftsräume erhalten zu können.